Der endgültige Beschluss zum neuen „Cannabisgesetz“ (Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften) am 19. Januar 2017 soll hier nicht unerwähnt bleiben. Schaut man sich die Formulierungen genauer an, die im Gesetz (Entwurfsfassung: 18/8965; geänderte und angenommene Fassung: 18/10902) benutzt wurden, kann man schon von einer patientenfreundlichen Gesetzesänderung ausgehen. Wenngleich Gegner auch weiterhin das Haar in der Suppe suchen werden.
Was und wann ändert sich nun etwas an der Versorgung mit Cannabis für deutsche Patienten?Nach noch ein paar bürokratischen Akten, die sich jedoch nicht mehr auf das Gesetz und sein Inkrafttreten auswirken können, wenn keine gravierender Verfahrensfehler offensichtlich wird, tritt das Gesetz laut Pressesprecherin im März 2017 in Kraft. Ich hoffe auf den ersten, erwarte den 15. und befürchte den 31. Aber das ist nur meine Meinung.
Sobald das Gesetz in Kraft tritt, ist es jedem approbierten Arzt (egal ob Hausarzt oder Rheumatologe) gestattet nach den gültigen Gesetzen Cannabis in jeder Darreichungsform (Fertigarznei, Extrakt, Blüten) auf einem Betäubungsmittelrezept (Wikipedia) zu verordnen, selbstverständlich nur bei entsprechnder Indikation – damit entfällt die bisher nötige Ausnahmegenehmigung nach §3 BtMG durch die BfArM und die Therapiehoheit des behandelnden Arztes ist sichergestellt. Das heißt, dass für die Verschreibung kein Antrag mehr gestellt werden muss, der darlegt, dass der Patient austherapiert ist. Da Cannabis zudem von Anlage I in Anlage III rutscht bedeutet dies ebenfalls das Entfallen der Ausnahmegenehmigung für Apotheken, da Cannabis nun ebenso wie andere Betäubungmittel verkehrs- und verschreibungsfähig ist, wodurch die theoretisch jede Apotheke ohne erheblichen Mehraufwand Cannabis abgeben kann.
Nach wie vor wird nicht jeder Arzt Cannabis verschreiben. Wenngleich die Gesetzesänderung einstimmig im Parlament angenommen wurde, bedeutet das nicht, dass ganz Deutschland nun Verständnis und Toleranz für Cannabis im medizinischen Einsatz hat. Mir ist zuletzt eine Zahl von 75% untergekommen, die Cannabis als Medizin befürworten inklusive der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Gegner sprechen gerne von „Kiffen auf Rezept gezahlt vom Beitragszahler der Kassen“ oder ähnlichem, übersehen dabei jedoch, dass Cannabis nicht bei jeder Wald- und Wieserverstauchung verschrieben wird – genauso wenig wie Morphium bei sporadischem Kopfschmerz das Mittel der ersten Wahl ist. Cannabis ist gedacht für schwerkranke Patienten, die oft aufgrund ihrer Erkrankung bereits arbeitsunfähig und/oder schwerbehindert sind, oder sogar mit morphinresistenten Schmerzen um die letzten Atemzüge auf der Palliativstation kämpfen. Und es gilt für Menschen, die an einer Erkrankung leiden, die die Lebensqualität massiv reduziert und alle anderen verfügbaren Therapien unzureichend sind.
In solchen Fällen reicht die Verordnung für eine Kostenübernahme per se noch nicht aus! Zuvor muss ein Antrag bei der entsprechenden Krankenkasse des Versicherten gestellt werden. Die Überprüfung darf drei Wochen dauern, es sei denn es muss ein medizinisches Gutachten (MDK) eingeholt werden, dann sind es fünf Wochen. In der Palliativmedizin verkürzt sich dieser Zeitraum auf drei Tage. Natürlich ist die Annahme jetzt berechtigt, dass der MDK aus Prinzip einen solchen Antrag ablehnen könnte, doch auch dies wird im Gesetz (§31 Art.4 Sozialgesetzbuch V) ebefalls formuliert, nämlich „nur in begründeten Ausnahmefällen“ . Das im vorherigen Absatz bereits verdeutlicht wurde, dass eine Kostenübernahme nicht nur beim Status „Austherapiert“, sondern ebenfalls dann erfolgen muss, wenn noch abstrakt denkbare Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen oder auch dann, wenn „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.“ Mit diesen drei Punkten wären alle von der Krankenkasse vorgebrachten Ablehnungsgründe, die mir bisher unterkamen, rechtwidrig. Für mich heißt das, sobald das Gesetz in Kraft tritt, werde ich ein Folgeschreiben an meine Krankenkasse schicken, das auf den Gesetzeserlass verweist. Die Verschreibung durch meine bisherige betreuende Ärztin ist ebenfalls gegeben. Allerdings werde ich meiner Apotheke treu bleiben – ideologisch veranlagt statt gewinnorientiert in dieser Hinsicht, das muss irgendwie gedankt werden.