Lebenslänglich

Ein Leben lang – ein Begriff so mannigfaltig, wie die damit verbundene Gefühle: Die Freude den geliebten Menschen zu heiraten und ein Leben lang mit ihm zusammen zu sein; die Erleichterung und Sicherheit einer lebenslangen (unkündbaren) Anstellung; das Gemisch aus Freude und Erleichterung über Gerechtigkeit seitens der einen Partei und der Resignation und Wut der anderen, wenn ein Straftäter zu lebenslanger Haft verurteilt wird; die Trauer über den Tod eines geliebten Wesens, ohne das man das eigene Leben lang sein wird. Die Ratlosigkeit über die Nachricht einer Krankheit, die einen das Leben lang begleiten und sich immer wieder in den Vordergrund drängen wird.

Eine solche Nachricht trifft auf die Ohren, den Hörnerv und wird erstmal abgespeichert. Sie geistert hin und wieder durch die Gedanken bis sie sich in die Seele vorarbeitet. An Tagen, die von der Krankheit bestimmt werden, jede Bewegung zur Herausforderung wird, Tränen stets hinter den Augen lauern und nicht einmal eine Pause in der Flucht in den Schlaf sich finden lässt, mischt sich unter die Frustration und die Wut über die eigene momentane Unfähigkeit zu tun, was man müsste, geschweige denn was man will, eine andere Frustration und Wut, deren Ursprung im Lebenslänglich liegt.

Die Konsequenzen, die eine Erkankung mit sich bringt, die einen bis zum Tod begleitet, die (ich wage es gerade kaum zu schreiben) unheilbar ist, sind umfassender als man es sich im Moment der ersten Konfrontation mit der Nachricht vorstellen kann. Aber ich will doch nicht, dass mich die Fibro jederzeit und überall überwältigen und niederschlagen kann! Ich will nicht mit 30 das Gefühl haben, dass mein Leben zu Ende ist und stattdessen die Fibro mein Leben lebt. Ich wollte… will doch Kinder, aber kann ich ihnen gerecht werden, sodass sie unbelastet von ihrer Mutter aufwachsen können? War es das? Habe ich die Kraft entsprechende Mechanismen aufzubauen, um die Fibro kontrollieren zu können – zumindest größtenteils? Die Ansprüche sinken ja schon…

Das erste Viertel dieses Jahres war hart, sehr hart, frustriered, auslaugend. Das Üben von Gelassenheit in allen Lebenslagen entspannt zwar den Geist und schützt mich vor dem Überschreiten meiner Grenzen, aber es widerspricht meiner „Natur“ und ist damit auch ein Kampf gegen mich selbst, nicht nur gegen meinen Körper, meine Krankheit. Wenngleich bestimmte Schmerzmittel mich aus den schlimmen Phasen tragen, sind sie keine Lösung auf Dauer aufgrund des schnellen Toleranzaufbaus und des hohen Abhängigkeitspotentials.

Wie es weitergeht, weiß ich nicht, wie ich auch nicht weiß, ob es für mich möglich sein wird, einen halbwegs normalen Alltag zu führen. Meine Hoffnung liegt derzeit auf der Verhaltenstherapie, die aber noch eine Weile „Gelassenheit“ einfordert bis sie Wirkung zeigt.

Ich weiß, dass dies ein trüber, pessimistischer Beitrag ist. Allerdings ist das niederschreiben dieser Gedanken ja angeblich gut für die Seele…